KÄRNTEN ECHO

Peter Filzmaier analysiert

Peter Filzmaier | Bild: Wikipedia
Als Politikwissenschaftler erklärt Filzmaier die Kommunikationshintergründe der Türkisen ÖVP

Wie vermittle ich den ÖVP-Wählern, dass sie die richtige Partei gewählt haben? So kurz oder ähnlich einfach könnte der Kern der Kommunikationsstrategie der Türkisen ÖVP lauten. Wie Peter Filzmaier in einem Krone Interview erläutert, haben Hunderttausende Ex-Wähler der FPÖ der Kurz-Partei zu den Wahlerfolgen verholfen, auf denen sich jetzt natürlich nicht ausruhen lässt, sondern die Wähler und Wählerinnen müssen bei der Stange gehalten werden. Also wird in den Botschaften und Reden, wie in der freitäglichen Kanzlerrede, gerne die Mischung „wir nehmen Zukunftsangst, verrühren es mit eigenen, unbewussten Polemiken und machen aus dieser Mixtur unser Wahlprogramm“ bedient.

Laut Filzmaier beruhen die Wahlerfolge von Sebastian Kurz – bewiesen durch Wählerstromanalysen – auf der einseitigen Interpretation der realen politischen Situation. Viele ehemalige Blauwähler und jetzt ÖVP-Wähler empfinden, dass die Bedrohung ihrer Existenz aus dem Ausland kommt. Es sind die Flüchtlinge, die hier schmarotzen wollen. Die Ausländer, die ihnen die Arbeit wegnehmen. Der radikale Islam, der die Scharia einführen will. Das Corona-Virus, dass sie heimtückisch überfällt.
Studien, die jedoch belegen, dass die persönliche antisemitische Einstellung der Österreicher erschreckend hoch ist, werden weggelassen. Fast zwei Drittel der ÖVP-Anhänger meinten nach dem ersten Abebben der Corona-Welle, Kritiker an den Vorschriften der Bundesregierung zum Lockdown – gemeint sind damit Kanzler und Co. – sollten sich gefälligst mit ihren Aussagen zurückhalten. Auch als der Verfassungsgerichtshof die Lockdown Regeln aufhob, kam vom Kanzler nur, das wären „juristische Spitzfindigkeiten“. Kritik am eigenen Führungsstil, wie bei Angela Merkel, die sich für Fehler entschuldigt, ist der Türkisen Ministerriege fremd.

Durch die Wahlerfolge der ÖVP entsteht unter den Regierungsmitgliedern und Funktionären eine Überheblichkeit, die sich in mangelnder Transparenz, den Postenbesetzungen und Auftragsvergaben zeigt. Die Kommuniaktionsstrategen der ÖVP reagieren sehr schnell auf den Unmut in der Bevölkerung, wie z.B. auf die Aussage des Bundeskanzlers „Jeder wird jemanden kennen, der am Coronavirus gestorben ist“. Sie erhöhen dann den eigenen Glanz – wir sind super durch die Krise gekommen – und vermeiden den Vergleich mit den Nachbarländern, die, im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, weniger Infektionen vorweisen.

Wählerstromanalysen zeigen, dass die ÖVP weniger in den Städten aber mehr im ländlichen Raum verankert ist. Filzmaier meint, wäre nur der ländliche Raum wahlberechtigt, würde die ÖVP alleine regieren. In den Städten ist nur ein Viertel für die ÖVP. Gesellschaftlich ist so eine Polarisierung gefährlich. Sie vertieft die Kluft zwischen der Stadt und ihrem Umfeld. Das passt gut zur Aussage des ÖVP-Klubobmanns Wöginger, der beklagte, kämen die Jungen vom Land in die Stadt werden sie Grün.

Das parteiinterne Narrativ von Sebastian Kurz lautet, ich führ euch an, mit mir gewinnen wir. Dieser Anspruch ist jedoch fatal, denn niemand kann dauernd gewinnen. Möglicherweise baut sich dadurch vielleicht der frühere Volkssport der jetzt erfolgsverwöhnten ÖVP-Teilorganisationen auf, den Bundeskanzler bei einem kleinen Misserfolg zu entmachten und abzusägen.

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